Gluten im Weizen: Aufbau und Wirkung
Das ist ein sehr interessantes und wichtiges Thema, wenn man das Verhalten unserer Teige während der Verarbeitung verstehen möchte. Die technologischen Eigenschaften des Glutens drehen sich um seine Proteine. Aber zunächst: Was ist überhaupt ein Protein?
Proteine sind wichtige Bausteine in Getreide. Sie bestehen aus langen Ketten kleinerer Teile, den sogenannten Aminosäuren. Man kann sich das vorstellen wie Lego-Steine, die zu einer langen Kette verbunden werden – so entsteht ein Protein.
Im Getreide gibt es verschiedene Arten von Proteinen:
- Albumine und Globuline: Diese sind wasserlöslich und machen etwa 20 % der gesamten Proteine aus. Sie kommen vor allem in der äußeren Schale des Korns und im Keimling vor.
- Gliadine und Glutenine: Diese beiden sind nicht wasserlöslich, machen aber etwa 80 % der Proteine aus. Sie sind sehr wichtig für die Teigstruktur. Wenn sie mit Wasser in Kontakt kommen, bilden sie zusammen das Gluten – ein Netzwerk, das dem Teig Elastizität und Struktur gibt.
Gliadine machen den Teig dehnbar (sie helfen beim „Ziehen“)
Glutenine machen den Teig elastisch und stabil (sie geben „Widerstand“)
Die Qualität dieses Protein-Netzwerks hängt vor allem von der Sorte des Weizens ab (also der Genetik), während die Menge eher vom Anbaugebiet und der Düngung beeinflusst wird.
Übersicht über die Proteinfraktionen
Proteinart | Löslichkeit | Teil des Glutens | Menge | Vorkommen im Korn | Funktion |
Albumine | In Wasser | Nein | 15–20 % | Schale, Keim, Aleuronschicht | Enzyme |
Globuline | In Salzlösung | Nein | – | – | Emulgieren, Schäumen |
Gliadine | In Alkohol (70 %) | Ja | ca. 40 % | Im Endosperm (zusammen mit Stärke) | Dehnbarkeit |
Glutenine | In Säuren/Basen | Ja | ca. 40 % | Endosperm | Elastizität, Festigkeit |
Gliadine
Gliadine sind einfache Proteine (Monomere), die in verschiedenen Formen vorkommen (α, β, γ, ω). Sie sind für die Dehnbarkeit des Teigs verantwortlich, aber sie bilden kein stabiles Netzwerk allein.
Glutenine
Glutenine sind große Proteinketten (Polymere), die sich zu riesigen Molekülen verbinden können. Je größer und komplexer diese Moleküle sind, desto besser sind die Teigeigenschaften.
Es gibt zwei Hauptgruppen:
- HMWG (High Molecular Weight Glutenins) – wichtig für Stabilität
- LMWG (Low Molecular Weight Glutenins) – ergänzen die Struktur
Die Anzahl und Art dieser Untereinheiten bestimmen die Qualität des Mehls. Sorten mit mehr dieser Untereinheiten ergeben in der Regel stabilere und backstärkere Teige.
Gluten ist die Kombination aus Gliadinen und Gluteninen. Für einen guten Teig braucht man das richtige Gleichgewicht:
- Gliadine → Dehnbar
- Glutenine → Elastisch
Die Qualität des Glutens hängt vor allem von der Getreidesorte ab, die Menge eher vom Anbau. Ein hoher Proteingehalt bedeutet nicht automatisch gute Teigeigenschaften – was zählt, ist die Qualität des Glutens.
Ein Beispiel: Viele alte Weizensorten haben zwar viel Protein, aber ein schwaches Gluten-Netzwerk. Deshalb sind sie schwieriger zu verarbeiten und weniger geeignet für lange Gärungen oder große Volumen.
Der sogenannte Gluten-Index misst die Stärke des Glutennetzwerks:
Je höher der Wert, desto besser ist das Mehl zum Backen geeignet.
Alte Sorten haben oft einen sehr niedrigen Gluten-Index – im Schnitt nur ein Drittel im Vergleich zu modernen Sorten.
Beispielhafte Werte:
Sorte | Asche | Protein | W-Wert | P/L |
Frassineto | 0,51 % | 13,2 % | 78 | 0,47 |
Autonomia | 0,53 % | 11,4 % | 84 | 0,50 |
Verna | 0,58 % | 14,5 % | 74 | 0,53 |
Marzuolo | 0,59 % | 9,3 % | 35 | 2,06 |
Noè di Pavia | 0,45 % | 9,7 % | 53 | 0,42 |
Gluten im Weizen: Aufbau und Wirkung, wie funktioniert das Glutennetzwerk?
Die Struktur des Glutens entsteht durch viele verschiedene chemische Verbindungen:
- Wasserstoffbrücken mit negativ geladenen Gruppen
- Disulfidbrücken zwischen Cystein-Bausteinen (für Stabilität)
- Ionenbindungen mit Salzen und Aminosäuren
- Lipid-Protein-Komplexe mit Fetten
- Elektrostatische Bindungen mit Stärke und Wasser
Im rohen Teig sind diese Verbindungen noch instabil, deshalb kann man ihn gut formen. Erst beim Backen wird das Glutennetzwerk fest und stabil, durch Wasserverlust und Hitze.
Gluten ist das dreidimensionale Traggerüst unseres Teiges. Durch die richtige Balance – die sowohl durch das Rezept als auch durch den korrekt geführten Herstellungsprozess entsteht – ermöglicht es die bestmögliche Entwicklung des Produkts im Ofen.
Unser Teig geht auf, bläht sich auf und lässt die Hitze gleichmäßiger eindringen. Dadurch wird die Stärke optimal gebacken – und das Ergebnis ist eine lockere, schmackhafte Krume, die leicht im Mund liegt.
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Saluti
Matteo